Fassung 2 / Edizione n°2 vom / del 15.12.2011
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Wie bereits oben erwähnt wurde, sieht das Dekret zwei verschiedene Arten von Beziehungen vor, welche die Gesellschaft, in
deren Interesse bzw. zu deren Vorteil eine Straftat begangen werden kann, mit dem Täter dieses Vergehens in
Zusammenhang bringen.
Art. 5 nimmt Bezug auf Absatz 1, lit. a), auf die so genannten Führungskräfte bzw. auf „Personen, die Vertretungs-,
Verwaltungs- oder Führungspositionen des Verbandes bekleiden“. Dabei handelt es sich in der Regel um Geschäftsführer
(auch de facto), Generaldirektoren, Verantwortliche an Nebensitzen sowie um Abteilungsleiter mit finanzieller und
funktioneller Autonomie.
Lit. b) des Artikels 5 bezieht sich hingegen auf „Personen, die der Leitung oder der Aufsicht einer der unter lit. a) genannten
Personen unterstehen“.
Die unterschiedliche Stellung der eventuell in die Begehung von Straftaten verwickelten Personen bringt verschiedene
Kriterien hinsichtlich der Zuweisung der Verantwortlichkeit an das Unternehmen selbst mit sich. Art. 6 des Dekrets legt dem
Verband die Pflicht auf, die Umsetzung der vorbeugenden Maßnahmen nachzuweisen; dies gilt nur dann, wenn der Täter eine
so genannte „Führungsposition“ bekleidet. Anderenfalls wird auf Grundlage der Auslegung des Gesetzeswortlautes erachtet,
dass für den Fall, dass der Täter der Leitung oder der Aufsicht Dritter unterliegt, die Beweislast hinsichtlich der
Nichtanwendung der vorbeugenden Maßnahmen der Staatsanwaltschaft obliegt.
Unbeschadet des Gesetzestextes im Sinne von Art. 5 des Dekrets und der entsprechenden Anwendungspraxis können die
Kriterien, die es innerhalb der Gesellschaft ermöglichen, die Führungskräfte zu ermitteln und festzulegen, folgendermaßen
zusammengefasst werden:
−
hierarchische Zugehörigkeit zur Unternehmensführung oder zur ersten Führungsebene nach dem Vorstand;
−
Zuweisung von Ausgabenbefugnissen und Vollmachten, welche die Durchführung einiger Tätigkeiten, auch nach außen,
mit einer gewissen Handlungsfreiheit ermöglichen;
Die oben genannten Anforderungen müssen gleichzeitig erfüllt werden und können nicht alternativ angewendet werden.
Es ist demnach möglich, die Führungskräfte mithilfe des Gesellschaftsorganigramms zu ermitteln, welches allen
Dienstnehmern der Gesellschaft zugänglich ist.
Die in Österreich anwendbaren Bestimmungen sehen die Anwendung und die effiziente Umsetzung des Modells als
Haftungsausschlussgrund nicht vor. In Anbetracht dessen, dass im Fall einer von einem Angestellten begangenen Straftat die
Strafbarkeit des Verbandes nur im Fall einer Aufsichtspflichtverletzung oder eines Organisationsverschuldens von Seiten der
Entscheidungsorgane besteht, kann das Risiko der Verantwortlichkeit eines Verbandes für von Angestellten begangene
Straftaten dennoch ausgeschlossen oder zumindest reduziert werden, indem wesentliche und geeignete Maßnahmen
technischer und organisatorischer Art sowie in Hinblick auf die Personalverwaltung angewendet werden.
Daher führt die Einführung eines effizienten Organisations- und Kontrollmodells dazu, dass der Verband im Fall der Begehung
einer Straftat durch einen Dienstnehmer von der Verantwortung zu entbinden ist, da kein Organisationsverschulden vorliegt.
Allgemein sieht das VbVG ferner eine Reduzierung der Geldbuße vor, wenn der Verband bereits vor der Straftat Maßnahmen
zur Vermeidung dieser Vergehen sowie Maßnahmen zur Anhaltung der Mitarbeiter zu rechtstreuem Verhalten angewendet
hat. Daraus folgt, dass vor der Begehung einer Straftat gesetzte Maßnahmen zur Umsetzung eines präventiven Systems
und/oder zur Anwendung eines Verhaltenskodexes mildernde Umstände darstellen, auch wenn sie sich als unzureichend
erwiesen haben und die Begehung der Straftat dadurch nicht vermieden werden konnte.