Jahrhundertbauwerk verbindet Europa

Der Brenner Basistunnel – innovative Lösungen im Tunnelbau Österreichische Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift, 163. Jg., Heft 1–12/2018 73 Durch die Erfahrungen während der ersten Betriebsjahre beim Gotthard-Basistunnel wurden Überlegungen angestellt, die technischen Anlagen in den Erkundungsstollen zu verlegen. In den Querschlägen sollen nur die Türen, die Beleuchtung, Not­ rufeinrichtungen und wenige zusätzliche technische Einrich­ tungen verbleiben. Der wesentliche Vorteil dieser Lösung ist, dass die technischen Anlagen ohne Betriebssperren von einer Fahrröhre gewartet und instand gehalten werden können. Da­ mit erhöht sich wesentlich die Verfügbarkeit dieser sehr langen Bahninfrastruktur. 2 . 2 . Bau des E r kundungss t o l l ens Der über die gesamte Länge durchgehende, ca. 60 km lange Er­ kundungsstollen beginnt im Norden in der Sillschlucht und führt mittig, etwa 12 m unterhalb der beiden Haupttunnel (Abb. 3) nach Aicha. Bis Ende Februar 2019 waren ca. 37 km (61%) ausgebrochen, davon 20,3 km in Österreich und 16,8 in Italien. Der Erkundungsstollen bietet einmalige Chancen während des Baues und der Betriebsphase. In der Bauphase liefert der Vor­ trieb des Erkundungsstollens wesentliche Informationen zu den Gebirgsverhältnissen. Diese Informationen sind einerseits in- situ Erkenntnisse der Geologie und des Gebirgsverhaltens und andererseits im maschinellen Vortrieb maschinentechnische Pa­ rameter. Anhand der maschinentechnischen Parameter können über Korrelation geologisch-geotechnische Informationen ge­ wonnen werden [Be rgme i s t e r, Re i nho l d , 2017]. Diese Infor­ mationen und Erkenntnisse bieten die Möglichkeit die Vortriebe der Haupttunnel und ihren Ausbau wesentlich genauer auf die tatsächlichen Gebirgsverhältnisse anzupassen. Des Weiteren bietet der vorauseilende Erkundungsstollen die Grundlage für die Reduktion bzw. abschnittsweise den gänzlichen Verzicht von Vorauserkundungsmaßnahmen in den Haupttunnelvortrieben. Bei den Erkundungsstollen wurde die geologische Dokumen­ tation von internem BBT-Personal durchgeführt, um das Wissen und die Erfahrung auch für die weitere Planung zur Verfügung zu haben und kontinuierlich zu verbessern. In geologisch schwierigen Abschnitten (Störzonen) wurde jeder Abschlag dokumentiert, bei monotonen Verhältnissen bzw. Abschnitten mit gleichbleibender Geologie jeder zweite Abschlag. Bei der geologischen Ortsbrustkartierung wurde der anstehende Ge­ steinstyp, die gesteinsphysikalischen Parameter wie Härte und Verwitterung, die Ausbildung und Raumstellung der maßgeb­ lichen Trennflächen und die Bergwasserverhältnisse beobach­ tet, gemessen und aufgezeichnet. Die erhobenen Daten des Erkundungsstollens wurden über die Tunneldatenbanksoftware „2-DOC“ verwaltet und entsprechen­ de Abschlagsberichte erstellt. Ebenso wurden und werden bis heute kontinuierlich geologische Längenschnitte bzw. Tunnel­ bänder erstellt, welche die aufgefahrene Geologie zusammen­ fassend darstellen. 2 . 3 . E r kundungss t o l l en nö rd l i ch des Brenne r s Begonnen wurde am 4. Dezember 2009 mit dem Bau des knapp 6 km langen Erkundungsstollens von der Sillschlucht bis zum Fensterstollen Ahrental (Baulos Innsbruck-Ahrental). Dieser weist einen Ausbruchquerschnitt von etwa 26m 2 auf. In diesem Abschnitt konnten maximale Abschlagslängen bis zu 2,20m aufgefahren werden. Entlang einiger Störungszonen war das Gestein durch gebirgsbildende Prozesse zerbrochen und zerrieben. Das Gebirge zeigte abschnittsweise tektonische Beanspruchungen in Form von mächtigen, jedoch kürzeren Scherbänder, entlang deren der Quarzphyllit zu einem tonigen Material aufgearbeitet war. Bei der Unterfahrung des Lanser See Gebietes wurde entgegen den Erwartungen ungestörtes Gebir­ ge angetroffen. Die insgesamt anfallenden Bergwassermengen waren etwa 1 l/sec und damit deutlich weniger als die prognos­ tizierten Bergwassermengen. Ab km 6,9 wurde ein größerer Querschnitt (ca. 50m²) aus Bau­ kostengründen (UVP-Vorschrift) mit einer offenen Gripper-TBM aufgefahren (Baulos Tulfes-Pfons). Um eine bestmögliche geo­ logische Erkundung gewährleisten zu können, wurde eine offene TBM gewählt. Die geologische Situation Vorort kann hierdurch kontinuierlich hinter dem Fingerschild über den ganzen Umfang aufgenommen und dokumentiert werden. Die visuelle Doku­ mentation der Vortriebsgeologen wird durch Vorausbohrungen, lateralen Erkundungsbohrungen und einer laufenden seis­ mischen Erkundung nach vorne für die Vortriebssteuerung aber auch seitlich für die Erkundung der parallel verlaufenden Haupt­ tunnel, ergänzt (siehe [Schwa r z , Sch i e r l , 2017]). Weiter südlich wurde, ausgehend vom Zufahrtstunnel Wolf, ein ca. 1,2 km langer Abschnitt des Erkundungsstollens im Bündner Schiefer ausgebrochen (Erkundungslos Padastertal und Wolf II). Dabei wurde eine Störzone erkundet, welche unmittelbar im Be­ reich einer Kaverne der Überleitstelle zu liegen kam. Daraufhin wurde die Abzweigungskaverne basierend auf der verbesserten Prognose in bessere Gebirgsbereiche verschoben. Derzeit wird der Erkundungsstollens im Baulos Pfons-Brenner konventionell vorgetrieben. Abb. 4: Überbrüche oberhalb des Fingerschildes der offenen TBM und Abscherungen von Gebirgsblöcken im Arbeitsbereich 1 Fig. 4: Collapse above the inner shield of the open TBM and sheared blocks in Work Area 1

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